„Die Banken mit dem besten Standing in Bezug auf Nachhaltigkeit werden Marktanteile gewinnen.“
Interview mit Timm Wege von der SWK Bank: „Banking der Zukunft: Fliehkräfte, Innovationen und Nachhaltigkeit“.
Timm gibt uns Einblicke in die aktuellen Fliehkräfte im Bankensektor und ihre Auswirkungen auf Prozesse. Wir diskutieren KI, Innovationen, Plattformökonomie und Banking as a Service. Zudem teilt Timm seine Einschätzung zur Zukunft des Bankings mit Fokus auf Nachhaltigkeit.
Wer bist Du und was machst Du?
Ich bin Timm Wege, gelernter Banker und seit über 30 Jahren im Finanzsektor aktiv. Nach Stationen im Investmentbanking der Landesbank Berlin und bei den FinTechs smava und FinCompare bin ich nun wieder zu den Wurzeln zurückgekehrt und baue in der SWK Bank den Vertrieb unserer Banking as a Service-Lösungen auf.
Die SWK Bank ist als Innovator bei Konsumentenkreditprozessen bekannt und hat eine digitale DNA. Dass wir seit Jahrzehnten auch im „Business Process Outsourcing“ unterwegs sind, weiß jedoch fast niemand. So sind wir z.B. langjährige Fronting-Bank für auxmoney, und können dieses Modell auch anderen Banken und FinTechs anbieten, die in den deutschen Konsumentenkredit- oder Einlagenmarkt schnell und günstig einsteigen wollen.
Welche Fliehkräfte ziehen derzeit an den Geschäftsmodellen der Banken? Und was bedeutet das für die Prozesse im Hintergrund? Wie viel KI ist hier möglich?
Es gibt üblicherweise drei Bereiche, in denen die Geschäftsmodelle unter Druck stehen und somit Geschäft abwanderungsgefährdet ist:
- Kundenansprüche – Kunden sind aus anderen Lebensbereichen einfache und schnelle Prozesse gewöhnt (Bsp. Amazon etc.), wer hier vorne ist, zieht insbesondere die jüngere Generation an und das führt aufgrund demografischer Entwicklungen dann quasi automatisch zur Umverteilung von Marktanteilen.
- Kosten – Auch wenn die Zinssteigerungen den Banken etwas Entspannung bringen, stehen die ökonomischen KPIs weiterhin unter Druck, weil die Benchmarks einfach hoch bleiben. Beispielsweise durch disruptiv arbeitende FinTechs (auch wenn sich hier mehr Bereitschaft zu Kooperation abzeichnet) oder durch ausländische Investoren, die klassische Banken durchsanieren und sehr effizient aufstellen, wie z.B. eine OLB oder eine BAWAG). Dementsprechend bleiben die Anforderungen an Prozesseffizienz unverändert hoch.
- Wettbewerb – Insbesondere Plattform- und Marktplatz-Modelle machen den Banken weiterhin die Kundenschnittstelle streitig, somit hängt die Planbarkeit von Wachstum letztlich an der Unterwerfung unter das Preisdiktat der Marktplätze.
Für die Banken heißt das aus meiner Sicht, hier über komparative Konkurrenzvorteile nachzudenken. Wenn ich mich als Bank mit meinen knappen Ressourcen auf meine wirklichen USPs konzentrieren will, also dort, wo ich mich vom Markt differenziere und wo ich Spezialist bin und auch so wahrgenommen werde, dann muss ich das Standard-Geschäft auslagern.
Und zwar an Anbieter, die wiederum dieses Standard-Massen-Geschäft als „Prozess-Führer“ bzw. „Kosten-Führer“ bearbeiten können, gleichzeitig absolut geübt sind in perfekter Kundenbetreuung für dieses Massengeschäft und außerdem die Kundenschnittstelle unangetastet lassen. Das heißt also, echte „white label“-Lösungen anbieten und immer im Namen der auslagernden Bank agieren. So wie die SWK-Bank das tut.
Diese drei Bereiche sind ja nicht neu, erfahren jedoch aus meiner Sicht in der näheren Zukunft eine Intensivierung, dazu später vielleicht noch etwas mehr.
Um einen Schwenk zum aktuellen „Hype-Thema“ KI zu machen:
Nach meiner derzeitigen Auffassung gibt es ein großes Einsatzgebiet von generative AI, welches direkt – auch in der Finanzwelt – durchschlagen wird: Marketing.
Im Marketing wird es den Arbeitsmarkt deutlich unter Druck setzen, so sehen das auch diverse Marketingmanager, mit denen ich in der letzten Zeit gesprochen habe.
In unserem Kerngeschäft wird das Thema Dunkelverarbeitung sicherlich noch einmal einen Qualitätssprung durch KI erfahren. Allerdings stehen hier erst noch diverse Compliance- und Datenschutz-Hürden im Raum, sodass ich hier nicht von kurzfristigen Effekten ausgehe.
Im Bereich Kreditentscheidungen halte ich den Einsatz von KI aufgrund gesetzlicher / regulatorischer Vorgaben vorerst für ausgeschlossen und in der Kundenbetreuung mag vielleicht der ein oder andere Chatbot ersetzt werden, aber sicherlich keine menschlichen Call-Center-Agents.
Was bedeutet das für Innovation? Gibt es Innovationen im Banking? Kann man mit Innovationen Geld verdienen?
Ja, das glaube ich schon, allerdings nicht im Sinne von neuen Produkten oder Prozess-Features, auch nicht im Metaverse oder bei Krypto. Ggf. macht Blockchain schwierige Transaktionen einfacher und der ein oder andere Chatbot wird mit KI „gefüttert“. Aber das meine ich nicht.
Es geht vielmehr darum, sich als Bank „unter der Haube“ neu zu erfinden. Also mehr im Sinne von Struktur- und Prozess-Innovation zu denken. Das sind dann vielleicht keine globalen Innovationen, weil es das alles woanders schon gibt, aber für eine Bank sind solche inneren Veränderungen zu verstehen als „Neuerung in einem System durch Anwendung neuer Ideen und Techniken“ und das ist per Definition eine Innovation. Und ja, damit kann man dann indirekt auch Geld verdienen.
Was gibt es für Meinungen auf die Themen Plattformökonomie, Open Banking, Banking as a Service?
Ich stehe ja für den Bereich Banking-as-a-Service bei der SWK Bank, und ich glaube, das Thema steht erst am Anfang seiner Entwicklung. Man kann die drei Themen auch untereinander ranken.
Wenn ich Plattformökonomie einmal auf das Thema Marktplätze reduziere, steht der Bereich für mich in der Mitte: Über Marktplätze kann ich als Bank „flow on demand“ also planbares Wachstum generieren. Darum herum sehe ich den Bereich Open Banking mit dem Ziel, das Produktportfolio der Bank innerhalb der Bank-IT-Infrastruktur zu erweitern.
Und außen herumkommt dann das Thema BaaS im Sinne von Business Process Outsourcing, dabei wird „outsourcing“ von Prozessen und damit Kostenersparnis im Bereich IT-, Produkt- und Prozess-Infrastruktur ermöglicht. Und dieser letzte Bereich ist m.E. noch nicht so stark entwickelt wie die beiden inneren Schichten und daher auch für uns spannend, dort zu agieren.
Was ist Deine „Wette auf die Zukunft“?
Ich hatte ja gesagt, wir sehen eine Intensivierung der Fliehkräfte und diese Intensivierung kommt aus dem Bereich Klimaschutz. Ich glaube, dass Banken künftig entweder direkt oder indirekt Nachteile haben werden, wenn sie nicht klar nachweisen können, dass ihre Geschäftsmodelle mindestens klimaneutral sind.
Die Kunden werden Banken auch unter diesem Gesichtspunkt bewerten und Kaufentscheidungen treffen.
Es wird Nachteile beim Funding geben, weil Investoren ihre Investments unter diesen Gesichtspunkten steuern und / oder es auch regulatorisch bzw. durch die Rating-Agenturen eine direkte „Bestrafung“ erfolgt. Wettbewerber werden sich darüber differenzieren und dadurch wieder Unterschiede in bisher als „commodities“ angesehene Produkte herein arbeiten.
Meine Wette ist daher: Als BaaS-Anbieter müssen wir die „best in class“ Prozesse für unser Produktportfolio anbieten, um den „Fußabdruck“ für unsere Bankpartner zu minimieren und gleichzeitig müssen wir auch „Klima-Produkte“ massentauglich anbieten, um für unsere Partner direkte Konkurrenzvorteile zu erzielen. Dadurch wird der BaaS-Markt für uns ein „Parkett“ sein, auf dem wir uns weiterhin erfolgreich bewegen.
Wie sieht das Banking 2028 aus?
Ich muss überlegen, was in diesem kurzfristigen Zeitraum relevanter sein wird, „contextual banking“ oder nachhaltiges Banking und ich denke, es wird letzteres sein: Die Banken mit dem besten Standing in Bezug auf Nachhaltigkeit werden Marktanteile gewinnen. Es geht also nicht um „fancy“ UX, sondern um Inhalte.